Wachsende Fallzahlen und der demographische Wandel stellen das Gesundheitssystem vor große Herausforderungen, da war man sich einig. Dabei wird es vor allem um Personal gehen, erklärte Lunemann beim Besuch des Medizinischen Dienstes in Münster: „Das größte Problem wird nicht das Geld sein. Das größte Problem wird es sein, Menschen zu finden, die weiter Pflege und medizinische Betreuung leisten.“
Lunemann weiß, wovon er spricht: Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) unterhält rund 200 Einrichtungen in der Region, darunter Kliniken, Wohnverbünde, Förderschulen, Maßregelvollzugskliniken, aber auch Museen und andere Kultureinrichtungen. Der LWL beschäftigt rund 20.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Nach Angaben des Direktors braucht der LWL zukünftig rund 2.000 neue Kolleginnen und Kollegen im Jahr, vor allem um ausscheidendes Personal im Rentenalter zu ersetzen.
Der Medizinische Dienst Westfalen-Lippe ist für die Pflegebegutachtung in der Region zuständig und beobachtet seit Jahren ein starkes Anwachsen der Zahl der Pflegebedürftigen. „Wir gehen davon aus, dass sich dieser Trend noch rund 20 Jahre fortsetzen wird“, sagte Dr. Peter Dinse, stv. Vorstandsvorsitzender des Medizinischen Dienstes Westfalen-Lippe. Die Versorgungsstrukturen für Pflegebedürftige wachsen jedoch nicht in gleichem Maße mit. Und da die geburtenstarken Jahrgänge selbst in Rente gehen, wird sich das Personalproblem ver- und nicht entschärfen. Dr. Dinse führt weiter aus: „Die meisten Menschen möchten natürlich möglichst lange in ihren eigenen vier Wänden leben. Und es sind vor allem die Angehörigen, die das möglich machen. Aber die stehen dadurch teilweise unter einer enormen Belastung, da sie auch arbeiten und womöglich Kinder zu versorgen haben.“
Ein erster Weg zur Entlastung könnte darin bestehen, die kommunalen Strukturen so zu verbessern, dass Pflegebedürftige möglichst lange im eigenen Zuhause leben können. „Das kann aber nicht nur Aufgabe der Angehörigen sein“, so der Direktor des LWL. „Das muss auch eine Aufgabe für die Stadtentwicklung und die Entwicklung des ländlichen Raums sein. Wir müssen Stadtquartiere für alle Generationen entwickeln: Strukturen zu erhalten, zu modernisieren und auf den demographischen Wandel anzupassen. Das ist für mich eine Aufgabe der Daseinsvorsorge.“
Um die Versorgung in den eigenen Wänden zu stärken, sei eine umfangreiche und neutrale Beratung für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen nötig, erklärte Dr. Peter Dinse. In der jährlichen Versichertenbefragung werde immer wieder deutlich, dass viele Pflegebedürftige und Angehörige genau das vom Medizinischen Dienst erwarten. „Im Rahmen unserer Möglichkeiten leisten wir diese Beratung – zumal wir oft die ersten Pflegeexperten sind, mit denen die Pflegebedürftigen in Kontakt kommen“, so Dr. Dinse. „Aber vom Gesetzgeber vorgesehen, ist sie bislang nicht.“ Dr. Dinse unterstrich, dass die pflegefachlichen Gutachterinnen und Gutachter für Pflegebedürftige eine Lotsenfunktion übernehmen könnten: „Wir hören von Versicherten auch immer wieder, dass sie sich in Dschungel der Sozialversicherung verloren fühlen. Hier kann professionelle Unterstützung wichtige Entlastung schaffen.“